Knorpelersatztherapie

Lokalisierte Knorpelschäden, die zum Beispiel aufgrund von Gelenkverletzungen entstehen, können zu erheblichen Beschwerden, und nicht oder falsch behandelt zur Entstehung einer Arthrose (Gelenkverschleiß) führen. Deshalb sollten anhaltend schmerzhafte Knorpeldefekte saniert werden. Dafür stehen verschiedene chirurgische Knorpeltherapien zur Verfügung.

Zugleich sollten gegebenenfalls bestehende Begleitprobleme (zum Beispiel Gelenkfehlstellungen, Instabilitäten) im zeitlichen Zusammenhang mit der Knorpelmaßnahme korrigiert werden, um so neben der Behandlung der Beschwerden auch der Entstehung einer frühzeitigen Arthrose vorzubeugen.

Einsatzgebiete

Verfahren zur biologischen Rekonstruktion symptomatischer Knorpel- oder Knorpel-Knochenschäden werden in der Regel nur bei Patienten eingesetzt, bei denen ein abgegrenzter Defekt mit noch weitgehend intaktem Gelenk besteht. Gelenke mit fortgeschrittener Arthrose sind hierfür meist nicht mehr geeignet [1].

Im Knie entstehen lokalisierte Knorpelschäden (Abb. 1A) häufig als Folge einer Sportverletzung oder einer sogenannten Osteochondrosis dissecans (OD), bei der sich ein Knorpel-Knochenfragment aus der Gelenkfläche herauslöst (Abb.1B). Aber auch andere Probleme, wie zum Beispiel ein O- oder X-Bein, eine Fehlstellung der Kniescheibe oder eine Bandinstabilität können einen solchen Knorpelschaden verursachen [2].

Im Sprunggelenk treten meist kombinierte Knorpel-Knochendefekte bedingt durch eine Verletzung oder eine OD auf [3].

Häufige Ursachen für Knorpelschäden der Hüfte sind angeborene oder erworbene Formstörungen des Gelenks (zum Beispiel Hüftdysplasie) [4].

Je nach Gelenk, Defektart, -größe und -lokalisation stehen unterschiedliche Methoden zur operativen Sanierung eines Knorpelschadens zur Verfügung.

Abgegrenzter Knorpelschaden am Kniegelenk, der vollschichtig bis auf den Knochen reicht (Stern in A). Aus der Gelenkfläche ausgelöstes und aufgequollenes Knorpel-Knochenfragment (Stern in B). (Quelle: OCC Tübingen).

Wirkprinzip

Die derzeit verwendeten operativen Knorpeltherapien werden in knochenmarkstimulierende Techniken und Transplantationsverfahren unterteilt [1].

Ziel der knochenmarkstimulierenden Verfahren ist es, das Nachwachsen von Knorpelersatzgewebe anzuregen, das den Defekt auffüllt. Dafür wird mithilfe verschiedener Techniken (Abtragung, Anbohrung, sogenannte Mikro- oder Nanofrakturierung) geschädigtes Knorpelgewebe entfernt und feine Löcher im verbleibenden Knochen angelegt. So können Stammzellen aus dem Knochenmark zu der geschädigten Stelle gelangen und ein Ersatzgewebe aus Faserknorpel bilden. Der Vorteil dieser Verfahren liegt darin, dass der Patient nur einmal operiert werden muss. Ein Nachteil ist allerdings, dass das dabei entstehende Ersatzgewebe überwiegend biomechanisch minderwertig und damit nicht so funktionsfähig wie der ursprüngliche Knorpel ist.

Bei den Transplantationsverfahren wird der Knorpeldefekt entweder mithilfe eines gesunden Knorpel-Knochenabschnittes, der dem Patienten an anderer Stelle entnommen wird, (osteochondraler Transfer = OATS) oder mithilfe angezüchteter patienteneigener Knorpelzellen (autologe Knorpelzelltransplantation = ACT) saniert.

Die osteochondralen Transferverfahren können ebenfalls in einem Eingriff durchgeführt werden. Durch die Rekonstruktion mit reifem Gelenkknorpel kann der Patient das Gelenk außerdem zügig wiederbelasten. Gerade bei größeren Defekten kann es allerdings zu Problemen an der Entnahmestelle – da hier Gewebe entnommen und damit geschädigt werden muss – sowie an der Implantationsstelle kommen.

Als Vorteile der Knorpelzelltransplantation (ACT) gelten die Entstehung von gelenkähnlichem Knorpel und die meist guten Ergebnisse auch bei größeren Defekten nach längeren Verlaufszeiten. Als Nachteile sind höhere Kosten und zwei Eingriffe zu sehen, die für die Knorpelentnahme zur Zellanzüchtung und die spätere Transplantation erforderlich sind [3-6].

Durchführung

Vor einer Mikrofrakturierung wird das geschädigte Knorpelgewebe bis auf den unter dem Knorpel liegenden Knochen entfernt, der anschließend mit kleinen Meißeln, Ahlen oder Bohrern zur Knochenmarkstimulation perforiert, also mit Löchern versehen wird (A). Wird der behandelte Bereich anschließend mit einem Biomaterial zur Zellbesiedlung (einer „Matrix“) abgedichtet, spricht man auch von einer „autologen matrixinduzierten Chondroneogenese“ (AMIC).

Bei den osteochondralen Transferverfahren werden aus wenig belasteten Gelenkbereichen Knorpel-Knochenstanzzylinder entnommen und in den Defekt der Hauptbelastungszone eingesetzt (B).

Im Rahmen einer Knorpelzelltransplantation werden fast nur noch matrixgekoppelte Formen (sogenannte MACT) verwendet, bei denen die Knorpelzellen in einem Trägermaterial oder in Form von kleinen Knorpelzellkügelchen implantiert werden (C).

Die meisten der genannten Verfahren können minimalinvasiv mithilfe einer Arthroskopie durchgeführt werden, so zum Beispiel die Mikrofrakturierung und oft auch das MACT-Verfahren zur Knorpelzelltransplantation. Der osteochchondrale Transfer wird meist im Rahmen einer offenen Operation, bei der das Gelenk eröffnet wird (Arthrotomie), durchgeführt. Bei kleineren Defekten in geeigneter Lage ist der Eingriff auch arthroskopisch möglich [1, 5, 6].

Abb. 2: Mikrofrakturierung (A), osteochondraler Transfer (Mosaikplastik) (B) und matrixgekoppelte ACT (C) (Quelle: B. Braun Aesculap AG).

Die Form der Nachbehandlung ist abhängig von den unterschiedlichen Phasen der Heilung, dem betroffenen Gelenk, der Lokalisation, Größe und Entstehung des Knorpelschadens, dem verwendeten Rekonstruktionsverfahren und unter Umständen auch von zusätzlich vorgenommenen Begleiteingriffen sowie weiteren Faktoren wie zum Beispiel Übergewicht. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte werden die einzelnen Inhalte der Rehabilitation, wie zum Beispiel Physiotherapie, einschließlich Verhaltensempfehlungen mit dem Patienten besprochen und festgelegt [7].

Erfolgsaussichten

Die Datenlage zur Wirksamkeit der aufgezählten Verfahren hat sich in den letzten Jahren aufgrund aussagekräftigerer Studien mit längeren Verlaufszeiten immer weiter verbessert. Im Knie wird die Mikrofrakturierung bei Defekten, die größer als 2 cm2 sind, meist nicht mehr empfohlen. Ob bei dieser Methode die zusätzliche Verwendung eines Biomaterials (matrixgekoppelte Knochenmarkstimulation) zu besseren Langzeitergebnissen führt, ist noch nicht abschließend geklärt. Der osteochondrale Transfer ermöglicht bei Defekten bis zu 2-3 cm2 meist gute mittel- bis langfristige Ergebnisse, besonders auch bei kombinierten Knorpel-Knochenschäden. Bei noch größeren Defekten weißt die Knorpelzelltransplantation (ACT) im langfristigen Verlauf die besten Ergebnisse auf, weshalb sie im Kniegelenk von verschiedenen Studienautoren und Fachkreisen auch als bevorzugtes Behandlungsverfahren für solche Fälle empfohlen wird [1, 8-11]. Am Sprung- und Hüftgelenk wird die ACT bei geeigneter Indikation für Defekte ab einer Größe von 1,5 bis 2 cm2 empfohlen [3, 4].

Literatur und weiterführende Links

1. Niemeyer, P. / Albrecht, D. / Andereya, S. / u.a.: Autologous chondrocyte implantation (ACI) for cartilage defects of the knee: A guideline by the working group "Clinical Tissue Regeneration" of the German Society of Orthopaedics and Trauma (DGOU). Knee. 2016; 23: 426-35.

2. Gaissmaier, C. / Fritz, J. / Mollenhauer, J. / u.a.: Cartilage Defects: Epidemiology and Natural History. Osteo Trauma Care. 2006; 14: 188-94.

3. Aurich, M. / Albrecht, D. / Angele, P. / u.a.: Behandlung osteochondraler Läsionen des Sprunggelenks: Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Klinische Geweberegeneration der DGOU. Z Orthop Unfall. 2017; 155: 92-9.

4. Fickert, S. / Aurich, M. / Albrecht, D. / u.a.: Biologische Rekonstruktion lokalisiert vollschichtiger Knorpelschäden des Hüftgelenks: Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft „Klinische Geweberegeneration“ der DGOU und des Hüftkomitees der AGA. Z Orthop Unfall. 2017; 155: 670-82.

5. Fritz, J. / Gaissmaier, C. / Schewe, B. / u.a.: Biologische Knorpelrekonstruktion im Kniegelenk. Unfallchirurg. 2006; 109: 563-74.

6. Welton, KL / Logterman, S. / Bartley, JH. / u.a.: Knee Cartilage Repair and Restoration: Common Problems and Solutions. Clin Sports Med. 2018; 37: 307-30.

7. Wondrasch, B.: Nachbehandlung knorpelrekonstruktiver Verfahren (Stellenwert der Physiotherapie). In Fritz, J. / Albrecht, D. / Niemeyer, P. (Hrsg.): Knorpeltherapie: Praxisleitfaden der AG Klinische Geweberegeneration der DGOU. Berlin: Walter de Gruyter, 2016; S. 150-67.

8. van der Linden, MH. / Saris, D. / Bulstra, SK. / u.a.: [Treatment of cartilaginous defects in the knee: recommendations from the Dutch Orthopaedic Association]. Ned Tijdschr Geneeskd. 2013; 157: A5719.

9. Biant, LC. / McNicholas, MJ. / Sprowson, AP. / u.a.: The surgical management of symptomatic articular cartilage defects of the knee: Consensus statements from United Kingdom knee surgeons. Knee. 2015; 22: 446-9.

10. Welch, T. / Mandelbaum, B. / Tom, M.: Autologous Chondrocyte Implantation: Past, Present, and Future. Sports Med Arthrosc Rev. 2016; 24: 85-91.

11. Krill, M. / Early, N. / Everhart, JS. / u.a.: Autologous Chondrocyte Implantation (ACI) for Knee Cartilage Defects: A Review of Indications, Technique, and Outcomes. JBJS Rev. 2018; 6: e5.

Hinweise für Patienten

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