Hallux valgus (Ballenzehe)

Die Hallux-valgus-Fehlstellung ist eine meist fortschreitende Deformität der Großzehe und wird auch als Ballenzehe bezeichnet. Dabei besteht eine X-Fehlstellung im Großzehengrundgelenk aufgrund einer gestörten Biomechanik des Fußes, die im Verlauf zu einer zunehmenden Verformung führt. Sie führt jedoch nicht zwangsläufig zu Schmerzen und/oder starkem Leidensdruck.

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Besonders wichtig zur Vorbeugung ist fußgerechtes Schuhwerk. Je nach der Schwere der Fehlstellung sowie dem Leidensdruck und Alter des Patienten ist eine konservative oder operative Behandlung möglich.

Häufigkeit

Die Hallux-valgus-Fehlstellung stellt die häufigste Erkrankung des Vorfußes dar. Bis zu 30 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die familiäre Veranlagung stellt bei der erworbenen Hallux-valgus-Deformität den einflussreichsten Risikofaktor dar. Beeinflussbare Faktoren wie enges Schuhwerk können bei einer Veranlagung zum frühen Auftreten einer Hallux-valgus-Fehlstellung führen als auch für sich eine Hallux-valgus-Fehlstellung provozieren. Die Instabilität des ersten Fußwurzel-Mittelfuß-Gelenks (sogenanntes Tarsometatarsalgelenk, kurz TMT-I-Gelenk) wird ebenfalls als eine Ursache diskutiert. Inwieweit die Instabilität ursprünglich vorliegt oder erst aufgrund der sich entwickelnden Hallux-valgus-Fehlstellung entsteht, ist nicht abschließend geklärt. Beim jugendlichen Hallux valgus ist die Instabilität des TMT-I-Gelenkes als führender Faktor der Entstehung anzusehen.

Symptome und Verlauf

Primär liegt am Anfang ein Schuhkonflikt vor, der durch den prominenten Ballen am Schuhinnenrand entsteht. Aufgrund der Verformung des Ballens passt der Schuh nicht mehr und wird zu eng. Hier könnnen Hautirritationen von Druckstellen bis zu Geschwüren (Ulzerationen) entstehen. Mit zunehmender Dauer der Fehlstellung kann es durch eine Belastungsübertragung zu Schmerzen und Druckempfindlichkeit im Bereich der Köpfchen der Mittelfußknochen kommen (sogenannte Transfermetatarsalgie). Hierbei findet die Belastungsübertragung in der Regel auf das zweite und dritte Mittelfußköpfchen statt und ist gekennzeichnet durch eine vermehrte Verhornung an der Fußsohle (Keratose) unter diesen Mittelfußköpfchen.

In fortgeschrittenen Stadien kann es zur Verletzung der fußsohlenseitigen Gelenkkapsel („plantare Platte“) der sogenannten Metatarsophalangealgelenke kommen, welche die Mittelfuß- und Zehenknochen miteinander verbinden. Außerdem kann es zur teilweisen oder vollständigen Ausrenkung (Subluxations- oder Luxationsstellung) einiger dieser Gelenke kommen. In diesen Fällen tritt häufig eine hochgradige Metatarsalgie auf, die zu belastungsabhängigen Schmerzen am Mittelfuß führt.

Die Großzehe verschiebt sich beim Hallux valgus zu den Kleinzehen. Dadurch kann es zu Druckstellen zwischen den Zehen kommen. Die verdrängten Kleinzehen versuchen auszuweichen und können so mit der Zeit eine Fehlstellung annehmen (Hammer- oder Krallenzehenfehlstellung). Unterstützt wird dies durch eine meist zusätzlich auftretende Subluxations- bis Luxationsstellung der Metatarsophalangealgelenke (siehe oben). Die Kleinzehen zeigen in diesen Fällen aufgrund der Fehlstellung einen zusätzlichen Schuhkonflikt über dem Zehenmittel- und dem Zehenendgelenk (sogenanntes PIP- bzw. DIP-Gelenk). Hier können starke Verhornungen bis hin zu Geschwüren auftreten.

Zusammenfassend sind im frühen Stadium ein Schuhkonflikt mit Hautirritationen sowie im zunehmenden Beschwerdeverlauf Belastungsschmerzen bis zu Ruheschmerzen vorhanden. Aufgrund der teilweisen Ausrenkung des Großzehengrundgelenks (Subluxationsstellung) wird die Möglichkeit, die Zehen zu strecken und zu beugen, eingeschränkt. Dies kann zu einer Kraftabschwächung führen.

Abb. 1: Schwere Form der Hallux-valgus-Fehlstellung (Quelle: Priv.-Doz. Dr. Hazibullah Waizy)

Diagnose

Da die Hallux-valgus-Deformität häufig aufgrund einer genetischen Veranlagung entsteht, ist die Familienanamnese (Befragung zu Erkrankungen der näheren Verwandten) Bestandteil der Diagnostik.

Inspektion

Die Begutachtung (Inspektion) des Fußes und der gesamten unteren Extremität ist ein wesentlicher Bestandteil der Untersuchung. Hautveränderungen, welche in der Regel an der Fußinnenseite des ersten Mittelfußknochens (Metatarsale-I-Kopf) vorliegen, können einen Eindruck über das Ausmaß der Druckprobleme geben. Die benachbarten Zehenstrahlen sollten hinsichtlich der bereits aufgetretenen oder sich entwickelnden Fehlstellung beurteilt werden.

Die apparative Diagnostik des Hallux valgus beinhaltet das Röntgen des Fußes im Stand. Hierbei sollten mindestens der Vor- und Mittelfuß dargestellt werden. Die radiologische Erfassung des gesamten Fußes ist jedoch wünschenswert. Eine Belastungsaufnahme des Fußes ermöglicht die Bestimmung der spezifischen Winkel und damit die Erfassung des Ausmaßes des Hallux-valgus-Schweregrades.

Folgende Winkel sollten erfasst werden:

Intermetatarsalewinkel I/II: Eröffnungswinkel zwischen dem ersten und zweiten Mittelfußknochen (Metatarsale-I-Knochen und Metatarsale-II-Knochen).

Hallux-valgus-Winkel: Winkel zwischen dem Grundglied der großen Zehe (Grundglied D I) und dem ersten Mittelfußknochen.

Erweiternde Röntgenaufnahmen können je nach klinischem Befund durchgeführt werden. Die Ganzbeinaufnahme als auch die spezifische Rückfußachsaufnahme dienen dazu, zusätzliche Achsfehlstellungen zu erfassen. Weitere apparative diagnostische Mittel stellen die Pedographie als auch die Podographie dar. Hier kann die dynamische als auch statische Belastungssituation des Fußes dokumentiert werden.

Aufgrund der radiologischen Winkelwerte kann eine Einteilung des Hallux valgus in drei Schweregrade vorgenommen werden. Die Abbildung 2 stellt die von der Deutschen Assoziation für Fuß und Sprunggelenk empfohlene Einteilung des Hallux valgus dar.

Abb. 2: Einteilung des Hallux valgus und entsprechende operative Behandlungsmöglichkeiten (Quelle: Priv.-Doz. Dr. Hazibullah Waizy)

Vorbeugung

Besonders wichtig zur Vorbeugung ist fußgerechtes Schuhwerk, um mögliche Druckstellen zu vermeiden, aber auch um ein stärkeres Fortschreiten der Erkrankung nicht zu unterstützen, sollte sie bereits vorhanden sein. Bestehen bei einem Patienten Risikofaktoren für einen Hallux valgus, können fußstabilisierende Übungen oder eine Orthesen- sowie Einlagenversorgung durchgeführt werden.

Therapie

Ob und welche Therapie bei einem Hallux valgus durchgeführt werden sollte, hängt vom Leidensdruck des Patienten, dem Alter und eventuell vorliegenden arthrotischen Veränderungen im Großzehengrundgelenk und angrenzenden Gelenken ab.

Das übergeordnete Therapieziel ist die Schmerzreduktion, Korrektur der Fehlstellung und Funktionsgewinn für den Patienten.

Konservative Therapie

Die konservativen therapeutischen Maßnahmen zielen auf die Reduktion des jeweiligen Schuhkonfliktes. Es besteht hierbei die Empfehlung zur weichen Oberlederversorgung, ausreichend großer Zehenbox und eventuell zusätzlicher Einlagenversorgung. Die Einlagenversorgung beinhaltet in der Regel eine Abstützung der Mittelfußknochen hinter den Köpfchen der Knochen, um einer Transfermetatarsalgie (siehe Symptome und Verlauf) gegenzuarbeiten. Eine Schuhzurichtung mit ergänzender Ballenrolle kann bei schmerzhaften Bewegungseinschränkungen des Großzehengrundgelenks zusätzlich empfohlen werden. Redressionsorthesen sind Schienen, die die Großzehe in der korrigierten Position fixieren. Dadurch führen sie zu einer Entlastung der medialen Strukturen, wie Sehnen oder Bänder. Leider sind sie in der Regel sehr fest und können daher nur nachts getragen werden. Einige Modelle ermöglichen eine milde Beweglichkeit, tragen aber aufgrund ihrer Größe sehr aus und sind daher im Schuh nicht praktisch. Allen Schienen ist gemeinsam, dass die Hallux-valgus-Fehlstellung keine signifikante Verbesserung zeigt, sobald die Scheine abgenommen wird.

Physiotherapeutische Maßnahmen mittels Krankengymnastik oder manuelle therapeutische Maßnahmen sind als einzelne konservative Maßnahme oder auch zusätzlich nach operativen Maßnahmen möglich. Sie zeigen gute Ergebnisse hinsichtlich der Schmerzreduktion. Eine wesentliche Korrektur kann hierbei nicht erreicht werden.

Operative Therapie

Beim Vorliegen eines symptomatischen Hallux valgus ist die operative Therapie der bloßen Einlagenversorgung überlegen. Die Indikationskriterien zur Einleitung einer operativen Maßnahme sind bei entsprechendem Leidensdruck des Patienten unter anderem: Schmerzen, Einschränkung der Lebensqualität, Schuhprobleme durch Druckstellen, wiederkehrende Geschwüre oder ein Überbein / scheinbarer Knochenauswuchs aufgrund der Fehlstellung (Pseudoexostose), Funktionseinschränkung, fortschreitende Deformität oder drohende Kleinzehendeformität.

Die operative Therapie kann sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden und orientiert sich am Ausmaß des operativen Vorgehens. Dieses beinhaltet die Rezentrierung des Großzehengrundgelenks mit Achskorrektur. Die Korrektur kann in Abhängigkeit zum Schweregrad der Hallux-valgus-Fehlstellung auf unterschiedlichen Ebenen durchgeführt werden. Begleiterkrankungen der weiteren Zehen sollten mit in die Therapieentscheidung einfließen.

Die operative Therapie umfasst dabei nicht nur die knöchernen, sondern auch die Weichteilstrukturen. Die Therapiemöglichkeiten unterteilen sich in gelenkerhaltende oder gelenkabtragende (gelenkresezierende) Techniken.

In der Gruppe der gelenkerhaltenden Operationen besteht die Möglichkeit der isolierten Pseudoexostosenabtragung mit eventuell zusätzlichem Weichteileingriff als auch die Möglichkeit der Korrekturosteotomie. Bei der Korrekturosteoteotomie wird der Knochen gesägt und in die korrekte Position verschoben. Die genaue Position der Korrekturosteotomie am Knochen orientiert sich hierbei am Ausmaß der Fehlstellung. Korrekturosteotomien können am Grundglied der großen Zehe, dem ersten Mittelfußknochen als auch am mittleren Keilbein (Os cuneiforme mediale) durchgeführt werden. Die Abbildung 3 zeigt eine schematische Übersicht zur Höhe der jeweiligen Osteotomie und auch den Verlauf der Sehnen, die eventuell berücksichtigt werden müssen.

Abb. 3: Operative Behandlung der Ballenzehe: Höhe der jeweiligen Osteotomie (a-d) und Verlauf der Sehnen (gelb), die dabei eventuell berücksichtigt werden müssen (Quelle: Priv.-Doz. Dr. Hazibullah Waizy)

Die gelenkresezierenden Operationsmethoden beinhalten die Resektionsarthroplastik, die Arthrodese des Großzehengrundgelenks oder die Arthrodese des Fußwurzel-Mittelfuß-Gelenks. Bei der Resektionsarthroplastik werden Anteile des Gelenkes entfernt. Die Heilungsphase ist relativ kurz, aber durch die Entfernung von Gelenkanteilen kann es zu Instabilitäten und Kraftverlust kommen.

Bei der Arthrodese des Großzehengrundgelenks wird das Großzehengrundgelenk versteift. Dadurch geht die Beweglichkeit der Großzehe verloren. In der Regel wird diese Technik bei Patienten durchgeführt, die aufgrund einer Arthrose schon keine Beweglichkeit mehr in dem Gelenk haben. Ein großer Vorteil ist die Schmerzreduktion und Stabilisierung der Zehe in der gewünschten Achse. Die Arthrodese des Fußwurzel-Mittelfuß-Gelenks ist bei ausgeprägten Fehlsetllungen ein sehr potentes Mittel. Das Fußwurzel-Mittelfuß-Gelenk hat einen sehr geringen Bewegungsumfang, daher kommt es bei der Versteifung dieses Gelenks zu keiner wesentlichen Reduktion des Bewegungsumfangs.

Die Abbildung 2 (siehe oben) stellt hierzu die von der Deutschen Assoziation für Fuß und Sprunggelenk empfohlenen Techniken dar. Die jeweiligen dargestellten Therapiemaßnahmen können einzeln als auch in Kombination durchgeführt werden. Wichtiges Kriterium ist die Korrektur des Intermetatarsalwinkel I/II als auch die Korrektur des Hallux-valgus-Winkels (siehe Diagnose).

Gelenkresezierende Eingriffe wie die Arthrodese als auch die Resektionsarthroplastik sind in Abhängigkeit zu einer vorliegenden Arthrose und/oder biologischen Faktoren zu stellen. Im Vorfeld einer Resektionsarthroplastik sollten sich Patienten ausführlich aufklären lassen hinsichtlich möglicher Folgeprobleme wie Kraftabschwächung im Großzehengrundgelenk, Transfermetatarsalgie oder der erneuten Entstehung eines Hallux valgus (Rezidiventstehung). Insgesamt sollte eine Resektionsarthroplastik nur nach gründlicher Abwägung und bei besonderer Schwere des Hallux valgus vorgenommen werden.

Nachsorge

Die postoperativen Maßnahmen orientieren sich am jeweiligen operativen Verfahren. Es kann hierbei eine Voll- oder Teilbelastung postoperativ möglich sein. Je nach operativem Vorgehen können unterschiedliche Hilfsmittel zur Mobilisation des Patienten (Verbandschuh, Vorfußentlastungsschuh, Orthese, Gips) eingesetzt werden. Stabilisierende, richtende Verbände sind postoperativ in der Regel zu empfehlen. Bei einer gelenkerhaltenden Therapie ist nach der Operation das Trainieren des Großzehengrundgelenks ein wichtiger Bestandteil.

Literatur und weiterführende Links

Waizy, H.: AWMF-Leitlinie zum Hallux valgus. AWMF-Register-Nr.: 033/018. Berlin: Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, 2014.

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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Umstrittene Wirksamkeit
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