Verletzungen vorderes Kreuzband

Risse des vorderen Kreuzbands gehören zu den häufigsten Sportverletzungen. Die Herausforderung für Arzt und Patient liegt in der individuellen Entscheidung zwischen operativer und konservativer Therapie und – im Falle einer OP – in der Wahl der Operationstechnik und des Transplantats.

Funktion und Anatomie

Das vordere und das hintere Kreuzband bilden gemeinsam die zentralen Stabilisierungspfeiler des Kniegelenkes. Ihre wesentliche Aufgabe ist die Kontrolle des Gelenkspiels und die Sicherung des Kniegelenkes gegenüber Abbrems- und Beschleunigungsaktionen sowie Drehbewegungen.

Anatomisch setzt sich das vordere Kreuzband aus zwei Faserbündeln zusammen (Abb. 1). Das Prinzip der unterschiedlichen Faserbündelanordnungen besteht darin, die in Abhängigkeit von der Bewegungsrichtung entstehenden Spannungsunterschiede und die einwirkenden Kräfte zu kompensieren.

Abb. 1: Vorderes Kreuzband im MRT des Kniegelenks (Quelle: ARCUS Kliniken)

Ursachen

Kreuzbandverletzungen treten als Folge akuter Sport- und Unfallverletzungen auf. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Verletzungen der Kreuzbänder betreffen zu über 90 Prozent das vordere Kreuzband (VKB). Zu den Sportarten, die besonders häufig zu Kreuzbandverletzungen führen, gehören Fußball, Hockey, Volleyball, Ski alpin, Tennis und Basketball. Der Kreuzbandriss verursacht eine gravierende Störung des natürlichen Gelenkspiels. Häufig tritt der Kreuzbandriss in Kombination mit weiteren

Verletzungen auf. Dazu gehören Schädigungen von Seitenbändern, Meniskus und Gelenkknorpel. Bei diesen Kombinationsverletzungen ist die Behandlung aufwendiger und es besteht ein höheres Risiko für Folgeschäden.

Symptome

Die unmittelbaren Symptome der akuten Kreuzbandverletzung sind Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigung sowie ein initial entstehender blutiger Kniegelenkserguss. Durch den Wegfall des stabilisierenden Kreuzbandes wird das physiologische Gelenkspiel

(Kinematik) gestört, sodass eine Instabilitätssymptomatik („giving way“-Symptomatik) resultiert. Dies kann sekundär, d.h. im weiteren Verlauf, sowohl zu Schäden der Menisken, als auch des Gelenkknorpels führen. Dies ist im Wesentlichen dadurch bedingt, dass sich das Drehzentrum des Kniegelenks verlagert und Überlastungsschäden die Folge sind. Wenngleich beim muskulär geschulten Sportler die Kreuzbandruptur unter konservativen Therapiemaßnahmen anfänglich noch kompensiert werden kann, ist im weiteren Verlauf mit einer Schädigung weiterer Strukturen und einem damit verbundenem deutlich erhöhten Arthroserisiko zu rechnen.

Diagnose

Im Vordergrund steht eine eingehende klinische Untersuchung mit den typischen Tests zur Prüfung der Stabilität des Kniegelenks. Bei Verletzungen des vorderen Kreuzbandes kommt dabei zum Beispiel der sogenannte „Lachmann-Test“ zum Einsatz, bei dem der Arzt durch Bewegung des Unterschenkels bei 20 bis 30 Grad gebeugtem Kniegelenk die Funktion des Kreuzbands prüft. Erfahrene Untersucher ziehen gerne auch sogenannte Arthrometer (KT-1000, Rolimeter, etc.) zur instrumentellen Stabilitätsprüfung des verletzten Kniegelenks im Vergleich zum gesunden Gelenk heran. Zusätzlich erfolgt eine radiologische Diagnostik, in der Regel mit Standard-Röntgenaufnahmen. Diese können ggf. um sogenannte Stressaufnahmen ergänzt werden. Zur weiteren Sicherung der Diagnose und zur Erfassung von eventuellen Begleitverletzungen erfolgt üblicherweise eine Kernspintomografie (MRT).

Therapie und Nachsorge

Nach einer Kreuzbandruptur steht für die meisten Patienten der Wunsch im Vordergrund, wieder Sport treiben zu können. Ob eine Operation notwendig ist, hängt von der Aktivität, der Instabilitätssymptomatik und dem Alter des Patienten ab. Besonders der sportlich orientierte Patient profitiert von einer zeitnahen operativen Versorgung. Ein konservativer Behandlungsversuch ist hingegen bei Patienten mit geringer Instabilitätssymptomatik und niedrigem körperlichen Belastungsanspruch gerechtfertigt. Bei Kreuzbandverletzungen im Kindes- und Jugendalter muss eine frühzeitige operative Rekonstruktion unter Verwendung geeigneter Techniken erwogen werden, um schwerwiegenden Folgeschäden im Sinne sekundärer Gelenkknorpel- und Meniskusschäden vorzubeugen.

Aktuelle Operationsverfahren

Durch die regelmäßige Weiterentwicklung der arthroskopischen Operationstechniken sind die Behandlungsmöglichkeiten für den Kreuzbandersatz in den letzten Jahren erheblich verbessert worden. Kürzere Operationszeiten, ein geringeres Operationstrauma,

weniger Schmerzen und ein besseres kosmetisches Ergebnis sprechen heute für diese minimalinvasiven Operationsmethoden. Ein korrektes operatives Vorgehen erfordert jedoch ein Höchstmaß an Erfahrung (Abb. 2 und 3). Der arthroskopische Kreuzbandersatz mittels autologer (körpereigener) Sehnentransplantate hat sich heute als Standard durchgesetzt. Verwendet werden Hamstringsehnen-Transplantate (Kniebeugesehnen: Semitendinosus- und Gracilissehne) in Dreifach- und Vierfach-Bündeltechnik sowie Patellarsehnen- und Quadrizepssehnenstreifen und nach Mehrfachverletzungen eventuell auch Spendertransplantate. Gemeinsame Eigenschaft dieser Transplantate ist eine mit dem natürlichen vorderen Kreuzband vergleichbare Zerreißkraft und Elastizität. Dennoch unterscheiden sich die Transplantate hinsichtlich ihrer Entnahme und ihrer Verankerungsmöglichkeiten.

Abb. 2: Frische Ruptur des VKB im MRT (Quelle: ARCUS Kliniken)
Abb. 3: Arthroskopisches Bild einer frischen VKB-Ruptur (Quelle: ARCUS Kliniken)

Hamstringtransplantat (Kniebeugesehnen: Semitendinosus- und Gracilissehne)

Über einen kleinen Hautschnitt am innenseitigen Schienbeinkopf werden die Semitendinosus- und, wenn nötig, Gracilissehne entnommen. Aus diesen wird in der Regel ein Vierfach-Transplantat gebildet (Abb. 5). Alternativ besteht bei ausreichender Sehnenlänge auch die Möglichkeit, lediglich die Semitendinosussehne zu gewinnen und diese als Drei- bzw. Vierfach-Bündel zu vernähen.

Die Verwendung von Hamstringsehnen bringt verschiedene Vorteile mit sich. Da die Entnahme für den Operateur meist unproblematisch möglich ist, entstehen für den Patienten weniger Schmerzen und eine kosmetisch günstigere Hautnarbe. Zudem erreicht das Kniebeugesehnentransplantat während des Einheilprozesses eher die Elastizität des natürlichen Kreuzbandes, was einen weiteren wesentlichen Vorteil dieser Methode darstellt. Relevante Störungen der Beugesehnenfunktion durch das Entfernen der Hamstringsehnen entstehen nicht.

Abb. 4: Kreuzbandersatz aus Semitendinosus-Sehnentransplantat (Quelle: ARCUS Kliniken)
Abb. 5: Vierfach-Hamstringsehnen-Transplantat mit Fixationsplättchen und Fadenmaterial (Quelle: Arthrex GmbH)

Patellarsehne (Sehne unterhalb der Kniescheibe)

Als Kreuzbandersatz wird das mittlere Drittel der Sehne als „Bone-Tendon-Bone-“ (Knochen-Sehne-Knochen-)Transplantat entnommen (Abb. 6). Vorteil dieser Methode ist die stabile Befestigung sowie die rasche knöcherne Einheilung des Transplantates. Als Nachteile gelten Schmerzen, welche an der Entnahmestelle auftreten können, und eine mögliche Verminderung der Muskelkraft des Oberschenkelstreckmuskels. Der sogenannte „vordere Knieschmerz“ ist nach vorderer Kreuzbandplastik mit Patellarsehne statistisch häufiger als nach Ersatz mit Hamstringtransplantat.

Abb. 6: Patellarsehnen-Transplantat als Kreuzbandersatz (Quelle: Arthrex GmbH)

Quadrizepssehne (Sehne des Oberschenkelstreckmuskels)

Das Quadrizepssehnentransplantat mit Knochenblöckchen aus dem oberen Anteil der Kniescheibe findet häufig in der Revisionschirurgie, also bei einem erneuten Kreuzbandriss, Anwendung. Das Transplantat weist vergleichbare biomechanische Eigenschaften wie das natürliche Kreuzband auf. Allerdings ist die Entnahme operationstechnisch anspruchsvoll, sodass sich das Verfahren zur Erstversorgung der Kreuzbandruptur nicht generell durchsetzen konnte. Aber auch in der primären Versorgung zeigt das Transplantat sehr gute Ergebnisse, die den anderen Verfahren gleichwertig gegenüberstehen. Ein Vorteil dieses Verfahrens liegt in der Möglichkeit der implantatfreien press-fit-Verankerung des Quadrizepssehnentransplantates im Oberschenkelknochen, wodurch eine biologisch optimale Einheilung und ein vereinfachtes Vorgehen im Revisionseingriff gewährleistet wird. Nachteilig sind hingegen die operationstechnisch aufwendigere Sehnenentnahme und eine Schwächung der Oberschenkelstreckfunktion.

Spendersehne

Spendersehnen (Allografts) finden vorwiegend im amerikanischen Raum Anwendung. Vorteil dieser Methode ist der Wegfall der Entnahmeprobleme. Nachteilig sind hingegen mögliche Immunreaktionen sowie eine nachgewiesene höhere Versagensrate bei verlängertem Einheilungsprozess. Die Verwendung von Spendersehnen kommt als Reserveverfahren insbesondere bei Zweit- und Drittoperationen in Ermangelung geeigneter körpereigener Transplantate in Betracht.

Fixation des Kreuzbandtransplantates

Gemeinsames Ziel sämtlicher Rekonstruktionstechniken ist die primärstabile Transplantatverankerung. Hierfür stehen verschiedene Befestigungsmaterialien wie metallische oder bioabsorbierbare Interferenzschrauben, Staples (Krampen), Pins sowie Fixationsbuttons (Knöpfe) zur Verfügung (Abb. 7). Für alle gegenwärtig verwendeten Systeme konnte eine angemessene Stabilität und Haltekraft unmittelbar nach dem operativen Eingriff nachgewiesen werden. Eine mögliche Schwachstelle der Kreuzbandplastik ist jedoch nach wie vor die Transplantatverankerung bis zur knöchernen Einheilung.

Abb. 7: Fixation des VKB-Ersatzes mit Fixationsplättchen (Quelle: Arthrex GmbH)

Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes in Kindertechnik

Insbesondere bei Kindern ist eine operative Stabilisierung bei vorderer Kreuzbandruptur notwendig, um Folgeschäden zu vermeiden. Ist das Kreuzband mit einem Knochenstück herausgerissen, so kann dieses wieder fixiert werden. In den meisten Fällen reißt das Kreuzband aber im Faserverlauf, sodass auch hier eine Bandplastik mit den Hamstringsehnen erforderlich wird. Zu beachten ist, dass die Wachstumsfugen durch die Bohrkanäle nicht geschädigt werden und keine Fixierung der Fugen mit Schraubenmaterial erfolgt, um späteres Fehlwachstum zu vermeiden. Die Fixierung erfolgt hier ausschließlich mit am Knochen anliegenden Fixationsplättchen (Abb. 8).

Abb. 8: VKB-Rekonstruktion in Kindertechnik (Quelle: Arthrex GmbH)

Zeitpunkt der Kreuzbandrekonstruktion

Bei einer frischen Ruptur kann der Eingriff im Sinne der Primärversorgung innerhalb der ersten 24-48 Stunden erfolgen. Diese Option kommt u.a. bei knöchernen Kreuzbandausrissen sowie akut versorgungspflichtigen Begleitverletzungen wie nahtfähigen Meniskusrupturen oder komplexen Kniebandinstabilitäten mit Zerreißungen des Seitenbandsystems in Frage. In anderen Fällen wird der Operationszeitpunkt nach Abklingen der Entzündungsreaktionen nach einem vier- bis sechswöchigen Intervall geplant. Während der entzündlichen Phase ist die operative Versorgung aufgrund der nachgewiesenen erhöhten Komplikationsrate im Sinne postoperativer Bewegungsstörungen (Arthrofibrose) nicht zu empfehlen. Eine Verkürzung der „6-Wochen-Frist“ ist möglich und vertretbar, wenn sich das Gelenk bereits vorzeitig in einem reizfreien Zustand befindet. Bis zum Operationszeitpunkt wird das Gelenk funktionell konservativ behandelt. Im Vordergrund stehen die Durchführung abschwellender Maßnahmen sowie die Wiederherstellung funktioneller Bewegung. Der präoperative Einsatz stabilisierender Knieorthesen ist bei ausgeprägter Instabilitätssymptomatik und bei begleitenden Schädigungen eines Seitenbands angebracht.

Nachbehandlung

Die Rehabilitation nach einer Kreuzbandrekonstruktion stellt eine bedeutsame Komponente des Therapiekonzeptes dar. Das vorrangige Ziel ist einerseits die frühzeitige Wiedererlangung eines freien Bewegungsumfangs, volle Belastbarkeit sowie muskuläre Kontrolle und Koordination. Andererseits werden aktuelle Nachbehandlungskonzepte den wissenschaftlich nachgewiesenen biologischen Heilungsphasen angepasst. Gegenwärtig ist das in den 1990er Jahren propagierte akzelerierte Rehabilitationsprogramm einer adaptierten und restriktiveren postoperativen Therapieplanung gewichen und berücksichtigt die individuelle Gewebereaktion und den Heilungsverlauf. Die postoperative Versorgung mittels einer das Kniegelenk stabilisierenden Knieorthese ist anerkannt, wobei sich wissenschaftlich bisher keine Überlegenheit gegenüber der orthesenfreien Behandlung zeigt. Bei optimal durchgeführter Rehabilitation ist mit einer belastungsstabilen Wiederherstellung der Kniegelenksfunktion und -stabilität nach sechs bis neun Monaten zu rechnen.

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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Umstrittene Wirksamkeit
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