Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS)

Unter einem CRPS versteht man ein Schmerzsyndrom nach Unfallverletzung einer Extremität, bei dem die Schmerzen im Vergleich zum erwarteten Heilungsverlauf unangemessen stark sind und bei dem sich Störungen von Gefühl, Kraft und des vegetativen Nervensystems sowie funktionelle und strukturelle Gebeveränderungen zu finden sind.

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Historisches

Der ursprünglich krankheitsbeschreibende Begriff geht auf den deutschen Chirurgen Prof. Paul Hermann Martin Sudeck (Geb. 28.12.1866, Pinneberg, gestorben 28.09.1945, Saalfeld/Saale) zurück. Nach Studium der Humanmedizin in Tübingen, promovierte er in Würzburg, Tätigkeit in Hamburg Eppendorf, wo er sich habilitierte. Ernannt wurde er 1919 wurde er zum außerordentlicher, ab 1923 wirkte er als Direktor der Chirurgischen Klinik Eppendorf, Emeritierung 1935. Die in der Nähe des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf gelegene Sudeckstraße ist nach ihm benannt.

Sudeck wendete in 1901 erstmals den Ätherrausch als ein kurzwirksames Narkotikum an und führte die Narkose mit Lachgas in Deutschland wieder in die Chirurgie ein. Zu Arbeitsschwerpunkten zählten die Beschäftigung mit Aspekten der knöchernen Heilung, Kallusbildung, Pseudarthrose und Knochenstruktur. In Würzburg hatte er im Rahmen der Ausbildung Kontakt zu der noch neuen Diagnostik mittels Röntgenstrahlen, die er in Hamburg einführte. Im Jahre 1900 beschrieb der die Reflex- oder Algodystrophie, ein Krankheitsbild, dass später mit seinem Namen als Morbus Sudeck belegt wurde. Heute wird das Krankheitsbild auch als komplexes regionales Schmerzsyndrom bezeichnet.

Definition

Unter einem CRPS versteht man ein Schmerzsyndrom nach Unfallverletzung einer Extremität, bei dem die Schmerzen im Vergleich zum erwarteten Heilungsverlauf unangemessen stark sind und bei dem sich Störungen von Gefühl, Kraft und des vegetativen Nervensystems sowie funktionelle und strukturelle Gebeveränderungen zu finden sind. Wichtig ist festzuhalten, dass diese Symptome nicht mehr auf direkte Verletzungsfolgen zurückzuführen sind. Die Symptome müssen deshalb außerhalb (in der Regel körperfern an Hand oder Fuß) der Verletzung auftreten und dürfen sich nicht auf das Ausbreitungsgebiet eines peripheren Nervens oder einer Nervenwurzel beschränken. Eine Verletzung ist auszuschliessen. Einzelne Akren können ausgespart sein. Bei isoliertem Befall großer Gelenke ohne akrale (Hände, Finger, Füsse, Zehen) Beteiligung, sollte die Diagnose CRPS nur mit größter Zurückhaltung in Betracht gezogen werden.

Es finden sich regelhaft Schmerzen und Gefühlsstörungen. Die Schmerzen sind meist bereits in Ruhe vorhanden und immer bei Belastung verstärkt. An den gelekumgebenden Strukturen findet sich fast regelhaft eine gesteigerte Druckschmerzhaftigkeit, deren Vorhandensein die Diagnose CRPS stützt. Auf der Haut kann eine mechanische und thermische Schmerzüberempfindlichkeit auftreten. Weiterhin finden sich bei CRPS charakteristische Störungen der Körperwahrnehmung und des Körperschemas (sog. Neglect-like-Symptome) die ebenfalls typisch für CRPS sind. Bei der Beweglichkeit und Kraft stehen eine Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit im Vordergrund, Störungen der Feinmotorik, schmerzbedingte Kraftminderung bis hin zu Pseudolähmungen.

Seltener kommen Tremor, Myoklonien und fixierte Dystonien vor.Im Bereich des autonomes Nervensystemsind die Hautdurchblutung (Änderungen von Hauttemperatur und Hautfarbe), das Schwitzen und das Extremitätenvolumen (Ödem) betroffen. Diese Symptome ändern sich individuell im Verlauf sehr stark.Strukturelle und funktionelle Veränderungen der Haut finden sich an Hautanhangsgebilden (Haare, Nägel), im Bindegewebe, in Muskeln und Knochen. Durch die trophischen Veränderungen kommt es unbehandelt rasch zu Bewegungseinschränkungen, Kontrakturen und teilweise schwer behandelbaren Gelenkfehlstellungen. Nur sekundär können auch proximale Extremitätenanteile und Gelenke (Schulter, Knie, Ellbogen, Hüftgelenk) betroffen sein. Durchaus können kritische Lebensereignisse Risikofaktoren für die Entstehung eines CRPS darstellen, die Studienlage spricht aber nicht für eine eindeutige Konstellation psychologischer Faktoren, die für die Entwicklung eines CRPS prädisponieren. Bei vielen chronischen Erkrankungen (insbesondere Schmerzerkrankungen) treten sekundäre psychische Veränderungen im Laufe der Krankheitsentwicklung dazu, die dann zwar nicht als kausal anzusehen sind, aber den Verlauf und die Therapie beeinflussen. Bei Patienten mit gravierender psychischer Vortraumatisierung oder Erkrankung kommt es aber nicht selten zu einer Dekompensation der Vorerkrankung und dadurch auch zu einem komplikationsreichen Verlauf des CRPS. Daher hat die frühe psychologische Diagnostik und Therapie(-begleitung) eine zentrale Bedeutung.

Klassifikation

Wenn das Krankheitsbild in früheren Jahren auch nach Schmerzempfindung und Schweregrad der Bewegungseinschränkung eingeteilt wurde, hat sich zwischen zeitlich die Einteilung in CRPS I und CRPS II durchgesetzt. Wenn es bei der Schädigung zu einer nachweisbaren Verletzung größerer peripherer Nerven kommt, spricht man von CRPS II, andernfalls von CRPS I.

Eine weitere mögliche Unterscheidung betrifft die Hauttemperatur zu Beginn der CRPS- Symptomatik. Ca. 70% der Patienten haben eine warme, entzündlich veränderte Haut, die restlichen 30% eine kalte, livide Haut. Diese Unterscheidung hat auch Auswirkungen auf die primär durchgeführte Therapie. Es bestehen Hinweise, dass Patienten mit primär kaltem CRPS eine schlechtere Prognose haben.

Diagnostik

Die Diagnosestellung des CRPS erfolgt über die Untersuchung, sie ist eine eine klinische Diagnose. Deshalb sind die Erhebung der Krankengeschichte, die klinische und neurologische Untersuchung die entscheidenden Schritte in der Ermittlung der richtigen Diagnose. Man muss fordern, dass die Diagnose CRPS in zeitlichem Zusammenhang mit dem Trauma erfolgt. Ein sinnvoller Zeitraum dabei wären ca. 2– 3 Monate, dann müssen die Diagnosekriterien erfüllt sein. Ein Warnzeichen für das mögliche Auftreten eines CRPS nach Speichenbruch ist ein überdauernder Schmerz der Stärke ≥ 5 von 10 eine Woche nach Fraktur.

Die entscheidenden Diagnosekriterien werden auch als Budapest-Kriterien bezeichnet, sie wurden 1994 im Rahmen einer Konsensus-Konferenz der IASP (International Association for the study of Pain) in Orlando, Florida, eingeführt. Diese beinhalten klinische Zeichen, die vom Patienten geschildert werden, ebenso wie Symptome, die im Rahmen der klinischen Untersuchung ermittelt werden:

  1. Anhaltender Schmerz, der durch das Anfangstrauma nicht mehr erklärt wird
  2. Überempfindlichkeit für Schmerzreize
  3. Überempfindlichkeit für Berührung, Allodynie
  4. Asymmetrie der Hauttemperatur und Veränderung der Hautfarbe
  5. Asymmetrie des lokalen Schwitzens und Schwellung (Ödem)
  6. Reduzierte Beweglichkeit, Dystonie, Tremor, abgeschwächte Muskulatur
  7. Veränderungen von Haar- oder Nagelwachstum
  8. Eine andere Erkrankung erklärt die Symptomatik nicht hinreichend

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Betrachtung von Erkrankungen, die in diesem Zusammenhang als mögliche Differentialdiagnosen in Frage kommen:

  1. Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
  2. Entzündungen (z.B. erregerbedingte Arthritiden, Infektionen nach Operationen, Polyneuritiden, Polyradikulitiden, Plexusschädigungen)
  3. Thromboembolische Erkrankungen
  4. Kompartment- und Nervenkompressionssyndrome
  5. Dissoziativen Störung mit autoagressiven Handlungen

Auch laborchemische Untersuchungen werden im Rahmen der Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern durchgeführt, das CRPS selbst ist hingegen nicht durch Auffälligkeiten bei Routinelaborparametern wie z.B. CRP-Erhöhung oder BSG-Beschleunigung gekennzeichnet.

Je länger ein CRPS besteht, umso schwieriger ist die Abgrenzung von den Veränderungen durch chronischen Nicht- oder Mindergebrauch anderer Ursache. Hilfreich ist eine Bilddokumentation der betroffenen Extremität in allen Krankheitsstadien.

Neben der Anamneseerhebung und klinischen Untersuchung können auch apparative diagnostische Verfahren zum Einsatz kommen bzw. nötig werden:

  1. Anfertigung von Röntgenbildern, beispielsweise beider Hände ap und in Zitherstellung (Seitenvergleichende Betrachtung einer möglicherweise bestehenden einseitigen Entkalkung); In der konventionellen Röntgenaufnahme zeigen circa 50% der Patienten nach 4–8 Wochen generalisierte, kleinfleckige, osteoporotische, gelenknahe Veränderungen. Eine große Verwechslungsgefahr besteht mit der Inaktivitätsosteoporose.
  2. 3-Phasen-Knochenszintigramms (bandenförmige gelenknahe Anreicherungen) mit Technetium-99m-Diphosphonat hat eine ca. 30–50%ige Sensitivität (Sensitivität: Empfindlichkeit, Trefferquote), aber hohe Spezifität (bis 100%) (Spezifität: Nicht-Betroffene können sicher identifiziert werden)
  3. Die wiederholte Messung oder die Langzeitmessung der Hauttemperatur im Seitenvergleich ist ebenfalls geeignet, die Diagnose CRPS zu unterstützen. Temperaturunterschiede von > 1–2 °C sind zwar nicht beweisend, unterstützen aber die Diagnosestellung
  4. Die Kernspintomographie wird oft aus differenzialdiagnostischen Gründen durchgeführt, ist wegen ihrer sehr geringen Spezifität für die Diagnosestellung eines CRPS aber nicht geeignet

Bei unsicherer klinischer Diagnose, z.B. bei spontaner Symptomentwicklung, oder bei absehbaren Begutachtungen (z.B. nach Berufsunfällen) empfehlen wir, frühzeitig zumindest eine Knochenszintigraphie zu veranlassen. Die weitere Diagnostik muss individuell veranlasst werden und richtet sich nach den möglichen Differenzialdiagnosen.

Therapie

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass das wichtigstes Therapieziel für die Patienten die Schmerzreduktion ist, die Funktionsverbesserung kommt erst danach. Der Erfolg der Behandlung des CRPS hängt auch davon ab, dass möglichst frühzeitig ein breitgefächertes therapeutisches Angebot, ggf. auch interdisziplinär multimodal, bereitgestellt wird. Schmerzen, Funktionsverlußt und evtl. vorhandenen psychischen Begleitstörung sind zu adressieren. Interdiszipliär bedeutet hier die Einbeziehung der für den Behandlungserfolg erforderlichen Berufsgruppen in enger Abstimmung, multimodal die Bereitstellung der erforderlichen Therapieformen.

Ein angemessener Therapiealgorithmus kann wie folgt aussehen

A) Physio- und Ergotherapie sowie medikamentöse Behandlung der u.U. bereits chronischen Schmerzen als Basismaßnahme

B) Bei akuter Symptomatik mit Ödem und Temperatursteigerung (sog. „warmes CRPS“): Steroide oder Bisphosphonate

C) Bei nicht ausreichender Wirksamkeit von A–B: intensive Evaluierung psychischer Komorbiditäten und Einleitung einer diesbezüglichen Therapie

D) Im Einzelfall einmalige Dauerinfusion von Ketamin nach individueller Titrierung, evtl. in Verbindung mit Punkt C. Dies wird in der Regel nur im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes möglich sein. Hier gilt eine strenge Indikationsstellung, die lückenlose Überwachung der Patienten muss gewährleistet sein.

E) Jegliche invasive Therapie nur bei Indikationsstellung durch spezialisierte Einrichtungen. Dies gilt auch für eine Serie mit limitierter Anzahl (ca. 10–15) von Sympathikusblockaden (Ggl. Stellatum bei Betroffensein der oberen Extremität, eher seltener lumbaler Grenzstrang, bei Betroffensein der unteren Extremität), wenn durch die einzelnen Blockaden eine deutliche Schmerzreduktion erzielt wird.

F) Bei Kindern immer Behandlung durch ein erfahrenes Zentrum mit kinderärztlicher Expertise ohne invasive Therapie.

Medikamente

Bisphosphonate sind bei CRPS der oberen und unteren Extremität bezüglich Schmerz, Funktion und Selbsteinschätzung der Patienten wirksam und können somit empfohlen werden, sie hemmen die Osteoklastenaktivität, wirken längerfristig entzündungshemmend und modulieren die spinale Mikroglia. Mögliche Nebenwirkungen sind zu berücksichtigen, sie äussern sich hauptsächlich in Form von Übelkeit, Aufstoßen, Sodbrennen, Magenschmerzen oder Krämpfen. Orale Bisphosphonate sollten daher morgens nüchtern im Stehen mit einem großen Glas Leitungswasser eingenommen werden. Anschließend dürfen sich die Patienten für mindestens eine halbe Stunde nicht hinlegen. Weiterhin werden Fieber und grippeartige Symptome berichtet. Die gravierendste Nebenwirkung sind Osteonekrosen am Kiefer. Eine zahnärztliche Vorstellung zu Beginn der Therapie wird daher vor Beginn einer Behandlungsserie empfohlen.

Die Durchführung einer Behandlung mit Steroiden (Cortison) wird insbesondere bei dem sogenannten „warmen“ CRPS, in der Frühphase der Erkrankung, wenn entzündliche Veränderungen (Rötung, Überwärmung, Ödem), im Vordergrund stehen empfohlen. Ein rascher Wirkungseintritt ist bei richtiger Indikation rasch festzustellen. Bei chronischem CRPS (> 6 Monate Dauer) sind Steroide in weniger wirksam, hier sind dann auch die ja nicht unerheblichen möglichen unerwünschten Wirkungen zu berücksichtigen.

N-Acetylcystein (NAC) kann bei Patienten mit kaltem CRPS versucht werden. Evidenz zur Wirksamkeit ist klein, NAC ist aber so gut wie nebenwirkungsfrei. NAC fängt freie Radikale, die bei Entzündungen und Ischämien entstehen.

Neben unmittelbar kausal, z.B. auf die Entzündung, wirkenden Medikamente, werden natürlich auch Medikamente gegen das Symptom Schmerz eingesetzt. Speziell geht es hier um den Schmerz mit neuropathischem Charakter.

Der Einsatz von Gabapentin zur Therapie der Schmerzen und Sensibiltitätsstörungen bei CRPS kann mit Einschränkungen empfohlen werden. Zu den unerwünschten Wirkungen gehören vor allem anfänglich Müdigkeit und Schwindel, bei längerer Anwendung Gewichtszunahme.

Der Einsatz von intravenös (Infusion) appliziertem Ketamin (NMDA-Rezeptor-Antagonist) als Analgetikum zur Therapie der Schmerzen bei CRPS wird in Einzelfällen und nur zur Anwendung in erfahrenen Zentren empfohlen. Ketamin blockiert NMDA-Rezeptoren im peripheren und vor allem im zentralen Nervensystem.

Dimethylsulfoxid (DMSO) wird topisch, als 50% DMSO-Creme, eingesetzt. DMSO penetriert die Haut und fängt freie Radikale, die bei Entzündungen und Ischämien entstehen. 50% DMSO wird in fettige Creme (Vaseline) gemischt und 5-mal/Tag auf die betroffene Extremität aufgetragen.

Grundsätzlich kommen beim CRPS, akut oder chronisch, darüber hinaus auch die klassischerweise in der Behandlung von Schmerzen vorgesehen Schmerzmedikamente, einschließlich Co-Analgetika, nach dem modifizierten WHO-Stufenschema zum Einsatz.

Rehabilitative Therapie

Die prinzipiellen Therapieziele rehabilitativer therapeutischer Maßnahmen sind Erhalt bzw. Verbesserung von Beweglichkeit und Funktion. Manchmal ist auch eine spezifische Hilfestellung zur Integration der Behinderung in den Alltag nötig. Für die funktionelle Rehabilitation von CRPS-Patienten sind sowohl Physio- als auch Ergotherapie, die sich individuell an der Symptomatik der Patienten orientieren und kompetent durchgeführt werden, unverzichtbar.

Die Physiotherapie im herkömmlichen Sinne soll pathologische Bewegungsmuster kompensieren und eine adäquate Funktion wiederherstellen. Dies verhindert auch Spätschäden wie Kontrakturen durch „Nichtgebrauch“ (Vermeidung von Schmerzen, „learned non-use“) der schmerzhaften Extremität . Zur Ödembehandlung eignen sich Lymphdrainagen und lokale Kühlung, möglich auch als „absteigende“ Bäder. Sobald der Schmerz eine Aktivierung ermöglicht, kann auch mit Traktions- und Mobilisationsbehandlung der betroffenen Gelenke begonnen werden. Später schließen sich Belastungsübungen und im Fall der unteren Extremität entsprechend Gangschulung, evtl. mit Hilfsmitteln, an. Wenn Patienten es sich zutrauen, die erkrankte Extremität trotz Schmerzen selbst zu bewegen, sollten sie dazu in jeder Phase der Erkrankung ermuntert werden. Bei der „Pain Exposure Physical Therapy“ wird die Physiotherapie (auch passive Verfahren) mit Zustimmung der Patienten unter Ignorieren von Schmerzen durchgeführt. Schmerzen werden im Weiteren auch nicht mehr thematisiert. Dieses ja vergleichsweise sehr schmerzhafte Verfahren kann allerdings zwischenzeitlich nicht mehr empfohlen werden. Empfohlen wird hingegen die Physiotherapie mit. verhaltenstherapeutischen Elementen (Spiegeltherapie, „Graded Motor Imagery Program“, „Graded Exposure“)

Die Ergotherapie soll schmerzhafte Bewegungsmuster reduzieren, normale Sensibilität herstellen und Alltagsfunktion gewährleisten. Dazu sollte eine aktive Desensibilisierung der durch Allodynie gekennzeichneten Hautareale mehrmals täglich für kurze Zeit begonnen werden. Ziel ist es, die erkrankte Körperregion wieder an alltägliche Berührung zu gewöhnen. Später erfolgt allmählich ein Wechsel hin zur Einübung schmerzfreier Bewegungen und zum Training der Feinmotorik, zunächst ohne, später gegen Widerstand. Im nächsten Schritt kann, falls nötig auch mittels Hilfsmitteln (Daumenkeile, funktionelle dynamische Schienen), eine allmähliche Stellungskorrektur erfolgen. Die aktive Mitarbeit der Patienten und das ständige Wiederholen der erlernten Übungen im Sinne von Eigenübungen sind unerlässlich.

Die Therapieform Spiegeltherapie wird in der Regel sowohl durch Physiotherapeuten, als auch Ergotherapeuten und in einzelnen Fällen auch Psychologen, eingesetzt. Diese Therapieformen haben zwei Wirkungsweisen. Zum Ersten normalisieren sie das Zusammenspiel zwischen Sensorik und Motorik auf kortikaler Ebene, und zum Zweiten reduzieren sie die Angst im Umgang mit der schmerzhaften Extremität. Die Spiegeltherapie und das Graded Motor Imagery werden nach Instruktionsphasen durch Therapeuten von den Patienten selbst in Einheiten zu je 10 Minuten, wenn möglich, jede wache Stunde des Tages, absolviert. Der gesamte Turnus dauert 6 Wochen. Für das Verfahren des „Graded Exposure“ wird eine kontinuierliche Therapie über 17 Wochen mit 1 h/Woche vorgeschlagen. Heimübungen sind unerlässlich.

Beim Verfahren des „Exposure In Vivo“ (EXP) werden zunächst angstauslösende Situationen (z.B. Schmerzauslösung bei bestimmter Bewegung, Situation, schmerzbezogene Angst) ihrer Hierarchie entsprechend durch einen Psychologen identifiziert und therapiert, und der Patient wird gleichzeitig Schritt für Schritt exponiert (Physiotherapeut). Das EXP reduziert nicht nur Schmerz, es verbessert auch Funktion und Behinderung. Gewisse Schmerzen werden dabei von den Patienten absichtlich in Kauf genommen (no pain, no gain), im Gegensatz zur konventionellen Physiotherapie (no gain with pain).

Psychotherapie

Diese Therapieform ist ein wichtiger Baustein in der Therapie des CRPS, vor allem wenn sich psychische Begleiterkrankungen erkennen lassen oder wenn die Symptomatik sich über einen längeren Zeitraum bei überwiegend somatisch orientierter Therapie nicht adäquat bessert. Primär dienen sie der angstlösenden Vermittlung eines Modells, um u.a. die psychischen Symptome, die die Patienten bei sich selbst wahrnehmen, besser bewerten zu können. Einige Patienten benötigen Krisenintervention, Entspannungs- und Imaginationsverfahren. Im Verlauf der Therapie werden Techniken zur Selbstwahrnehmung der körperlichen Belastbarkeit vermittelt, die auch zur Regulation eines angemessenen körperlichen Ent- und Belastungsverhaltens beitragen. Hier haben sich neben Entspannungs- und Biofeedbackverfahren Verhaltensanalysen und -übungen sowie kognitive Interventionen zur Überwindung von Bewegungsangst bewährt. Dies entspricht in weiten Zügen auch der psychologischen Intervention bei EXP.Patienten, bei denen bereits vor Ausbruch des CRPS eine psychische Störung vorlag, benötigen eine intensivere psychotherapeutische Versorgung. Exzessive Erfahrungen von Kontrollverlust, Hilflosigkeit und Angst, die entweder in der Anamnese oder durch das CRPS bzw. durch medizinische und physiotherapeutische Interventionen ausgelöst werden, führen möglicherweise dazu, dass vergessene Reiz-Reaktions-Verbindungen bzw. kognitive und emotionale Schemata reaktiviert werden. In diesen Fällen erlangt die jeweilige psychotherapeutische Behandlung eine Schlüsselstellung für die Gesamttherapie, von der auch der Zeitpunkt für medizinische, insbesondere invasive Interventionen abhängig gemacht werden sollte.

Interventionelle Therapie

Bei einer Untergruppe von Patienten mit CRPS verstärkt eine Aktivierung des Sympathikus die Schmerzen und insbesondere die Allodynie. Diese Schmerzen nennt man dann sympathisch unterhalten (sympathetically maintained pain, SMP). Dies hat zu dem Umkehrschluss geführt, dass Blockaden des Sympathikus besonders bei diesen Patienten zur Schmerzreduktion führen sollten. Es gibt leider kein klinisches Symptom, das beim einzelnen Patienten die Beteiligung des Sympathikus an der Schmerzunterhaltung beweist oder ausschließt. Letztlich ist für die Stellung der Diagnose eines SMP nur der analgetische Effekt einer Sympathikusblockade relevant. Der generelle Einsatz von Sympathikusblockaden (Grenzstrangblockaden mit Lokalanästhetika) zur Therapie des CRPS kann aufgrund fehlender Evidenz nicht empfohlen werden. Möglicherweise sind Sympathikusblockaden aber bei positivem Ausfall von Testinjektionen als eine auf maximal einige Wochen begrenzte Behandlungsserie ansonsten therapieresistenter, sympathisch unterhaltener Ruheschmerzen hilfreich. Ihr Einsatz sollte entgegen der derzeitigen Praxis spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben. Als mögliche unerwünschte Wirkung sind ein sind ein Horner-Syndrom bei Intervention zur Behandlung der oberen Extremität (Ganglion stellatum) und die Erwärmung der abhängigen Körperpartie obligat. Potenziell sehr gefährlich sind Verletzungen der A. carotis oder der Bauchaorta/Iliacae durch die Injektionen. Durch die invasive Natur können auch der Sympathikus oder andere Teile des Nervensystems selbst geschädigt werden, wodurch die Symptome des CRPS aggraviert werden können.

Eine weitere Form der invasiven Therapie stellt die rückenmarksnahe Elektrostimulation (SCS = spinal cord stimulation) dar. Hemmende Systeme sollen durch über den Hintersträngen des Rückenmarks implantierte Elektroden aktiviert werden. Vor einer endgültigen Elektrodenimplantation muss eine Probestimulation mit Erfolgskontrolle erfolgen. Die Indikation wird bei sonst therapierefraktären Patienten mit CRPS an der unteren Extremität ohne mechanische Allodynie und ohne gravierende psychische Erkrankung (fachspezifische Untersuchung), bei denen die Probestimulation effektiv war, gesehen. In die Gruppe dieser Therapieverfahren gehört auch die vergleichsweise neu entwickelte elektrische Stimulation von Spinalganglien, die sogenannte DRG-Stimulation (Dorsal Root Gangion). Die Therapieform stellt eine Therapieoption bei therapierefraktären CRPS-Fällen der unteren Extremität dar. Erwähnung finden muss, dass bei den invasiven Verfahren nicht unerhebliche Risiken zu beschreiben sind, so das allgemeines Risiko des Eingriffs, Systemwechseloperation, Systemdislokationen, sekundäre Schädigung anderer Strukturen durch das System. Insgesamt war die Komplikationsrate bei DRG-Stimulation tendenziell niedriger als bei SCS, dies gilt vor allem für die Systemdislokation und den damit verbundenen Wirkverlust.

In Einzelfällen kann die repetitive transkranielle Magnetstimulation des Motorcortex (rTMS-Therapie) bei sonst therapierefraktären Patienten versucht werden, vorzugsweise in klinischen Studien, auf jeden Fall aber in spezialisierten Zentren. Ein großer Nachteil ist die tägliche Anwendung und dass die analgetische Wirkung den Behandlungszeitraum nicht wesentlich überdauert. So müsste eigentlich eine rTMS- Dauertherapie angewandt werden, was für den Routineeinsatz nicht geeignet ist. Als Nebenwirkung ist beschrieben, dass epileptische Anfälle getriggert werden können.

Auch das Einbringen von Wirkstoffen in den Liquor-Raum, sogenannte intrathekale Applikation, kann sinnvoll sein. Dies gilt, wenn die Blut-Hirn- Schranke nur bei zu hoher oraler Dosis und dem Preis von systemischen Nebenwirkungen ausreichend überwunden wird. In diesem Falle wird die Baclofen als Wirksubstanz beschrieben. Wenn schmerzhafte und therapielimitierende dystone Störungen konservativ (Physiotherapie, Schmerztherapie eingesetzt.">Botulinumtoxin) nicht beherrschbar sind, ist eine intrathekale Baclofentherapie in einem Zentrum, das mit dieser Therapieform Erfahrung hat, gerechtfertigt. Es muss vor einer Dauertherapie eine Probeinjektion erfolgen. Bei Therapieresistenz sollte immer auch an eine psychische Ursache der Bewegungsstörung gedacht werden. Zu Nebenwirkungen gehören das Liquorunterdrucksyndrom, Gefahr von Infektionen, Benommenheit und Harnverhalt, Systemdefekt.

Das in früherer Zeit meist als Mittel der ersten Wahl eingesetze Medikament Kalzotinin hat heute bei fehlender Evidenz keinen Platz mehr in der CRPS-Behandlung. Kalzitonin ist ein Peptidhormon, das in der Schilddrüse gebildet wird (C- Zellen). Es mindert die Osteoklastenaktivität und wirkt auch unabhängig davon analgetisch. Zudem bestehen nicht unerhebliche Nebenwirkungen.

Die Behandlung mit intravenösen Immunglobulinen wird ebenfalls aufgrund der diesbezüglichen Studienlage und fehlendem Wirkungsnachweis nicht empfohlen.

Therapie des CRPS bei Kindern

Die CRPS-Behandlung bei Kindern sollte immer durch einen kompetenten Pädiater begleitet werden. Die Prognose des Krankheitsbildes ist bei Kindern prinzipiell gut. Auch deshalb sollten bei Kindern irreversible und traumatisierende Maßnahmen daher strikt gemieden werden sollten. CRPS

Versorgungskoordination

Ein CRPS wird zunächst, in Bezug auf Therapie und Diagnostik, ambulant behandelt. Eine ambulante Behandlung kann neben der medikamentösen auch die Physio-, Ergo- und rehabilitative Therapie sowie die Vorstellung bei den Fachdisziplinen Orthopädie/Unfallchirurgie, Schmerztherapie, Neurologie, Anästhesie und Psychiatrie/Psychosomatik beinhalten.

Sollte sich im ambulanten Behandlungsprozess eine Stagnation oder gar eine Akzentuierung der Symptome abzeichnen, so sollte schnellstmöglich eine stationäre multimodale Schmerztherapie eingeleitet werden. Diese kann auch in Rahmen einer medizinischen Rehabilitationsbehandlung erfolgen. In Abhängigkeit von der Mobilität kann dies ambulant oder stationär angebotenwerden.

Eine Besonderheit sind die berufsgenossenschaftlich versicherten Patienten. Solche Patienten sollten bei ausbleibender funktioneller Besserung nicht den „Standardweg“ der EAP (erweiterte ambulante Physiotherapie) gehen, sondern eher im Rahmen einer BGSW stationär behandelt werden, da dann der Schmerzreduktion als Primärziel besser Rechnung getragen werden kann.

Literatur

  1. Diagnostik und Therapie komplexer regionaler Schmerzsyndrome (CRPS), Entwicklungsstufe: S 1, AWMF, Herausgegeben von der Kommission Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Registernummer 030/116, Januar 2018

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema Komplexes Regionales Schmerzsyndrom (CRPS)

Was ist das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS)?

Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) ist eine chronische Schmerzerkrankung, die häufig nach Verletzungen oder operativen Eingriffen an den Extremitäten auftritt. Es ist gekennzeichnet durch anhaltende, brennende Schmerzen, Schwellungen, Veränderungen der Hautfarbe und Temperatur sowie eine eingeschränkte Beweglichkeit des betroffenen Bereichs.

Was sind die Hauptursachen für CRPS?

CRPS kann nach Bagatelltraumen, schweren Verletzungen oder chirurgischen Eingriffen auftreten. In einigen Fällen kann es auch ohne erkennbare Verletzung auftreten. Zu den häufigen Ursachen gehören Weichteil- oder Knochenverletzungen, Nervenschädigungen und längere Ruhigstellungen.

Welche Symptome sind typisch für CRPS?

Typische Symptome des CRPS sind:

  • Anhaltende, brennende Schmerzen im betroffenen Bereich.
  • Schwellungen und Veränderungen der Hautfarbe (z. B. Rötung oder Blässe).
  • Temperaturveränderungen (kälter oder wärmer als die Umgebung).
  • Einschränkungen der Beweglichkeit und Funktion des betroffenen Gliedes.
  • Empfindlichkeitsstörungen, wie z. B. Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen.

Wie wird CRPS diagnostiziert?

Die Diagnose von CRPS erfolgt in der Regel durch eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung. Es gibt keine spezifischen Tests zur Diagnose, aber bildgebende Verfahren wie Röntgen, MRT oder Ultraschall können eingesetzt werden, um andere Ursachen auszuschließen. Die Diagnose basiert oft auf den charakteristischen Symptomen und dem Verlauf der Erkrankung.

Wie wird CRPS behandelt?

Die Behandlung von CRPS ist oft multidisziplinär und kann Folgendes umfassen:

  • Physiotherapie zur Verbesserung der Beweglichkeit und Funktion.
  • Schmerztherapie mit Medikamenten, einschließlich entzündungshemmender Mittel und Schmerzmitteln.
  • Psychotherapie zur Unterstützung bei emotionalen Belastungen, die durch die chronischen Schmerzen entstehen können.
  • In einigen Fällen können invasive Verfahren wie Nervenblockaden oder neuromodulative Therapien in Betracht gezogen werden.

Wie lange dauert die Heilung bei CRPS?

Die Heilungsdauer bei CRPS kann stark variieren. Einige Patienten erfahren eine Verbesserung innerhalb von Wochen, während andere Monate oder sogar Jahre benötigen, um eine signifikante Linderung der Symptome zu erreichen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend für den Heilungsprozess.

Welche Rolle spielen psychologische Faktoren bei CRPS?

Psychologische Faktoren wie Angst und Depression können die Symptome von CRPS verstärken und die Behandlung erschweren. Eine umfassende Therapie, die auch psychologische Unterstützung umfasst, kann helfen, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und die Kontrolle über die Erkrankung zurückzugewinnen.

Kann CRPS auch ohne Verletzung auftreten?

Ja, in seltenen Fällen kann das komplexe regionale Schmerzsyndrom auch ohne einen erkennbaren Auslöser auftreten. Dies macht die Diagnose und Behandlung oft schwieriger, da die Ursache nicht sofort identifiziert werden kann.

Wie kann ich CRPS vorbeugen?

Es gibt keine garantierte Methode zur Vorbeugung von CRPS, aber einige Maßnahmen können helfen, das Risiko zu verringern. Dazu gehören eine frühzeitige Mobilisation nach Verletzungen oder Operationen, die Vermeidung von übermäßiger Ruhigstellung und die Durchführung von gezielten Übungen zur Stärkung der Muskulatur und Verbesserung der Beweglichkeit.

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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Umstrittene Wirksamkeit
Hinweis: Bei den oben aufgeführten Diagnose- bzw. Behandlungsverfahren kann es sich eventuell um wissenschaftlich umstrittene und derzeit nicht von allen Experten wissenschaftlich anerkannte Methoden handeln. Die Kosten dieser Anwendungen werden von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet.
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