Knieprothese: Komplikationen durch zu viele Kilos

Übergewichtige Patienten mit einem künstlichen Kniegelenk haben ein erhöhtes Risiko für Komplikationen. Experten raten deshalb, das Körpergewicht zu reduzieren – am besten schon vor dem Gelenkersatz.
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Freiburg – Ab einem Body-Mass-Index (BMI) von etwa 30 haben übergewichtige Patienten mit einer Knieprothese ein erhöhtes Risiko für Wundheilungsstörungen und Infektionen. In der Folge müssen sie öfter erneut operiert werden. Ab einem BMI von 40 steigt das Risiko für Komplikationen dann exponentiell an. Die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. empfiehlt deshalb, bei geplanten Prothesenimplantationen möglichst schon lange vor dem Eingriff das Körpergewicht zu reduzieren.

Noch besser wäre es jedoch, Normalgewicht über das ganze Leben zu halten, so die AE. Denn zu viele Kilos sind eine der Hauptursachen für schmerzhafte Kniearthrosen. Patienten seien sich dieses Zusammenhangs jedoch häufig nicht bewusst.

Übergewicht beschleunigt Gelenkverschleiß

Jährlich werden in Deutschland rund 169.000 künstliche Kniegelenke eingesetzt. Einige dieser Eingriffe könnten durch Abnehmen verhindert werden. Denn: „Übergewicht geht auf die Kniegelenke und ist einer der Hauptgründe für Arthrose“, sagt Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller, Generalsekretär der AE und Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig. Zudem gelte: Je höher der BMI, desto schneller schreitet der schmerzhafte Gelenkverschleiß voran. „Bei Übergewichtigen tritt die Kniegelenksarthrose oft schon in jungen Jahren auf“, so der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Bereits fünf Kilo Übergewicht verdoppelten das Risiko des Entstehens einer Knie-Arthrose, bei der sich der Knorpel im Gelenk abnutzt.

Über 65 Prozent der Männer und mehr als 50 Prozent der Frauen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren sind nach Zahlen des Robert Koch-Instituts hierzulande übergewichtig. Übergewicht bezeichnet einen BMI von über 25 – das heißt ein Körpergewicht von mehr als 25 kg/m2 –, als adipös gilt, wer einen BMI über 30 hat. Ein Viertel der Erwachsenen ist adipös. Entsprechend nimmt auch der Anteil übergewichtiger und adipöser Patienten zu, die ein künstliches Kniegelenk erhalten.

Operationsrisiken nehmen zu

Doch mit der Körperfülle steigen auch die Operationsrisiken: „Übergewicht geht oft mit Mehrfacherkrankungen, etwa Herz-Kreislauf-Problemen in der Kombination mit Diabetes, einher“, sagt Heller. Diese Grunderkrankungen schwächen den Organismus und machen ihn anfälliger für Komplikationen wie Infektionen. Zudem ist der operative Zugang zum Gelenk, also die Schnittgröße und -tiefe, bei Dickleibigkeit größer und die Situation unübersichtlicher. „Die Präzision des operativen Eingriffs kann dadurch beeinträchtigt sein“, so Heller. Eine besonders häufige und langwierige Komplikation sind Wundheilungsstörungen: „Die Fettschicht ist schlechter durchblutet und damit auch die darüberliegende Haut. Dadurch sind die Wundränder unterversorgt und können absterben, sodass sich die Wunde möglicherweise nicht mehr schließt – der Nährboden für Infektionen ist damit gelegt“, erläutert Heller weiter.

Abnehmen hilft dem Patienten und dem Kunstgelenk

„Wir empfehlen unseren Patienten deshalb, vor einer geplanten Prothesen-OP abzunehmen und etwas für die allgemeine Fitness zu tun“, sagt Prof. Dr. med. Florian Gebhard, Präsident der AE und Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Ulm. Für untrainierte Übergewichtige sehr geeignet seien etwa Elektrofahrräder. Sie schonen die Gelenke und unterstützen bei Hügeln und längeren Distanzen. Und er ergänzt: „Wir raten zudem, das neue Gewicht eine Zeit lang zu halten, bevor operiert wird“. Denn in der Phase des Abnehmens sei das Risiko für Komplikationen ebenfalls erhöht.

Trotz der genannten Risiken profitieren auch übergewichtige Patienten bis zu etwa einem BMI von 40 von einem künstlichen Kniegelenk. „Vorher müssen jedoch zwingend alle konservativen Möglichkeiten, wie etwa Physio- und Schmerztherapie, ausgeschöpft sein“, betont Heller. Erst danach gelte es, gemeinsam mit dem Patienten die Vor- und Nachteile einer Operation gründlich abzuwägen.

Falls eine Knieprothese unumgänglich ist, rät Heller allen, aber insbesondere stark adipösen Patienten, sich für den Eingriff in ein zertifiziertes Endoprothetik-Zentrum (EndoCert-Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie) zu begeben. Und ist die Operation überstanden, gehöre es zu den Hausaufgaben des Patienten, das Gewicht regelmäßig zu kontrollieren und aktiv zu bleiben: Denn auch das künstliche Gelenk profitiere von weniger Kilos und gut trainierter Muskulatur.

Quelle: AE

Literatur und weiterführende Links

Robert Koch-Institut 2014, Studie DEGS1, Erhebung 2008 - 2011

Zertifizierungssystem in der Endoprothetik

Milena M. Ploeger, Norbert H. Müller, Dieter Christian Wirtz, Hendrik Kohlhof: Adipositas in der Revisionsendoprothetik des Kniegelenks – eine systematische Literaturübersicht und rechtliche Bewertung. Z Orthop Unfall. DOI: 10.1055/a-0590-5340.

David E. DeMik, Nicholas A. Bedard, S. Blake Dowdle, et al.: Complications and Obesity in Arthroplasty – A Hip is Not a Knee. DOI: https://doi.org/10.1016/j.arth.2018.02.073.

Derek T. Ward, Lionel N. Metz, Patrick K. Horst, et al.: Complications of Morbid Obesity in Total Joint Arthroplasty: Risk Stratification Based on BMI. DOI: https://doi.org/10.1016/j.arth.2015.03.045.

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